Recherche: Wer ist die Mutter von Michael Praetorius?

Zu den Vorfahren von Therese Küttler geborene Wirth (1844 – 1903) gehört Margarethe Thümmig, Tochter von Andreas Lussovius (Luiscov/Lüssow), Pfarrer und Superintendent in Treuenbrietzen. Nach dem Eintrag im Pfarrerbuch der Mark Brandenburg war Andreas Lüssow mit „Sabine Prätorius, T. d. Sup. Michael P. in Creuzburg a. d. Werra“ verheiratet. Das weckte mein Interesse: Wer war die Mutter von Sabine Praetorius?

Michael Schultze/Schultheis (Praetorius) war Diakon in Torgau undspäter Pfarrer in Creuzburg und Röben, Einträge zu seiner Person liegen in die einschlägigen Pfarrerbücher für die beiden Thüringer Kirchengemeinden vor, sie machen aber bezüglich der Ehefrauen von Michael Schulze unterschiedliche Angaben:

Band III (Großherzogtum Weimar Eisenach, Landesteil Eisenach) :
∞ I. Torgau (1537) … Zwilling, To. v. Sup. Torgau
∞ II. Torgau, vor 1554 Magdalena Leicher, aus Torgau

Band IV (Die reußischen Herrschaften):
∞ I. Torgau (1537) NN Brückner, To. v. NN., Koch, Torgau
∞ II. Torgau 1567 Gertrud Leicher gen. Didymus aus Torgau, To. v. Gabriel Sup. Torgau

 

Von den Kindern war in beiden Pfarrerbüchern nur der Sohn Michael genannt.

Michael Schulze hat erstmals im Jahr 1537 geheiratet, das ist durch sein an den Kurfürsten von Sachsen in Sachen Stipendium vom Februar 1538 gerichtetes Schreiben belegt.[1]  Diese Ehefrau kann jedoch schwerlich eine Tochter des Torgauer Superintendenten Gabriel Zwilling gen. Didymus gewesen sein, denn dieser ehemalige Augustinermönch ist selbst erst im Jahr 1525 eine Ehe eingegangen. Die im Band IV genannte NN Brücker war somit wohl die erste Ehefrau, die vermutlich 1540 verstorben ist. Sie war die Tochter des Hofkoches Georg Brücker/Brückner.

Die ohne Vornamen genannte Tochter des Superintendenten Zwilling war vermutlich die zweite Ehefrau, die Frage war, ist sie identisch mit der in Band IV genannten Zwilling-Tochter Gertrud Leicher gen Didymus. Dagegen sprach das genannte Jahr der Eheschließung 1567, dafür der Eintrag im Pfarrebuch der Kirchenprovinz Sachsen für Didymus, Gabriel,; hier werden drei Kinder genannt, darunter die Tochter Gertrud mit der Angabe: „∞ Michael Schulze, Diac. Torgau“.

Die in Band IV genannte Magdalene Leicher war die Mutter von Maria Schulteis, das ist durch Leichenpredigten für Peter von Jena (1585)[2] und Elias Ulrich (1601)[3] belegt, beide sind mit Maria Praetorius verheiratet gewesen. Die Jahresangabe für die Eheschließung im Pfarrerbuch „vor 1554 bezieht sich auf das Geburtsjahr der Tochter Maria. Tatsächlich dürften aber Michael und Magdalena Schulteis vor 1549 geheiratet haben, denn der in der Leichenpredigt für Elias Ulrich genannte Bruder Andreas Praetorius ist lt. Matrikeleintrag in Torgau geboren, diese Stadt musste aber Michael Schulze nach seiner ersten Amtsenthebung 1550 verlassen. Dass Magdalene Leicher auch die Mutter von Michael Schulze/Praetorius gewesen ist, kann nicht durch ein entsprechendes Dokument belegt werden, wird aber gelegentlich vermutet, weil Michael Praetorius seinen Bruder Andreas in dem Widmungsbrief seiner Missodia Sionia als „meum fratrem germanum“ nennt, was nach damaligem Verständnis „Bruder beider Eltern“ bedeutete.[4] Somit wären alle nach Andreas geborenen Geschwister Kinder von Michael Schulteis` Magdalena Leicher.

Dieser Schlussfolgerung steht jedoch die Aussage in der Leichenpredigt für Michael Praetorius gegenüber, in der es heißt: …“ sein Vater und Großvater (sind) Prediger gewesen und (haben) Gott und seiner Kirchen lange Zeit gedienet; auch seine Brüder und Anverwandten viel solchem Amt wohl vorgestanden und zum Teil noch auf den heutigen Tag (23. Februar 1621) wohl vorstehen.“[5] Diese Aussage kann sich nicht auf den Vater von Magdalena Leicher beziehen, denn der war Stadtrichter in Torgau, auch sonst hat es in Torgau seinerzeit  keinen Prediger/Pfarrer namens Leicher gegeben.

Der Aussagewert der Leichenpredigt muss höher eingeschätzt werden, als der der oben zitierten Formulierung in dem Widmungsbrief. Das Wort „germanum“ könnte vielleicht auch  im Sinne von „leiblicher“ Bruder verstanden werden (germanus = leiblich, echt, wahr, wahrhaftig). In dem Widmungsbrief bringt Michael Praetorius seine große Dankbarkeit gegenüber dem Brandenburger Herrscherhaus zum Ausdruck, das seinem Vater nicht nur Zuflucht, sondern auch finanzielle Unterstützung gewährt hatte. Vielleicht nennt er deshalb die Namen der beiden Brüder, die in Frankfurt/Oder gewirkt und sich dort einen Namen gemacht haben. Genealogische Detailaussagen dürften dabei wohl nicht von so großer Bedeutung für ihn gewesen sein. Es stellt sich zudem sowieso die Frage, ob es für den zuletzt geborenen überhaupt eine Rolle spielte, dass die Geschwister möglicherweise eine andere Mutter als er selbst hatten, zumal seinerzeit der Vater in Abstammungsfragen die wichtigere Rolle einnahm. Wer die Mutter von Michael und die von Sabine, der späteren Frau von Andreas Lussovius gewesen ist, war durch solche Sprachwendungen nicht abzuklären. Dazu musste ein Kirchenbucheintrag gefunden werden, und ein solcher fand sich dann in Hof in Oberfranken.

Aus dem Pfarrerbuch der Mark Brandenburg war zu entnehmen, dass der Nachfolger von Andreas Lussovius, Christoph Jordan, eine Tochter des Vorgängers geheiratet hatte: Maria Lussovius. Christoph Jordan war später Superintendent in Hildesheim, danach in seiner Heimatstadt Hof. Er hatte die Mutter seiner Frau und deren unversorgten Kinder zu sich genommen und für sie gesorgt. Außer der eingangs genannten Margarethe Thümmig geb. Lussovius, die 1603, ein Jahr vor dem Tode des Vaters in Treuenbrietzen geboren ist, sind weitere zwei Schwestern in Oberfranken mit Pfarrern verheiratet gewesen, auch sie sind im Hause des Ehemannes ihres Schwester Maria aufgewachsen.

Bei diesem Sachstand war zu vermuten, dass dir Mutter der Schwestern Lussovius in Hof gestorben war. Auf eine Anfrage teilte das Kirchenbuchamt in Hof dann auch folgenden Sterbeeintrag für Sabina Lussovius, gestorben im August 1633, mit:

„Frau Sabina Lußowin eine geborene Legerin, Herrn Superintendenten M. Christophorin Jordans Seeligen Schwieger Mutter, so verstorben Montag zu nachts zwischen 10 und 11 Uhr, ihres Alters 75 Jahr und halbes wird begraben den 21. Augustj.“

Sabina Lussovius war nach dem Eintrag im Pfarrerbuch keine leibliche Tochter von Michael Schulze, sondern eine geborene „Legerin“, die Schreibweise des Nachnamens muss wohl als „Leicherin“ verstanden werden. Sabina war dann die Tochter von „Gertrud Leicher gen. Didymus“ und wurde duch die zweite Heirat ihrer Mutter zu Stieftochter von Michael Schulze. Da Gertrud Didymus – aus dem Sterbeeintrag zurückgerechnet – 1558 geboren ist, kann ihre verwitwete Mutter Michael Schulze frühestens 1560 geheiratet haben, das im Pfarrerbuch Band IV angegebene Jahr 1567 dürfte damit richtig sein. Alle vor diesem Zeitpunkt geborenen Kinder von Michael Schulze – Andreas, Johannes und Maria – waren nicht ihre leiblichen Kinder, sondern die von Magalene Leicher, wohl einer Verwandten des ersten Ehemanns von Sabina.

Letzte Sicherheit, dass Sabina Leicher, die Tochter von Gabriel Zwilling-Didymus, die letzte Ehefrau und damit auch die Mutter von Michael Praetorius gewesen ist, ergibt sich aus der Leichenpredigt für Maria Jordan[6]. Dort wird genealogische Aussage gemacht:

„Die Fraw Mutter aber Sabina, des Ehrwürdigen. Großachtbaren und vielgelarten Herrn Michaelis Praetorii, fürnehmen Predigers zu Torgaw und hernach Superintendentis zu Creutzberg in Thüringen hinterlassene eheliche Tochter“[7]

Das ist insofern richtig, als Sabina rechtlich gesehen die eheliche Tochter von Michael Schulze, aber eben keine „leibliche“ Tochter, sondern eine Stieftochter.

Aus diesen Angaben ist weiter zu folgern, dass Michael Schulze insgesamt viermal verheiratet gewesen ist, und dass die zweite und die vierte Ehefrauen Töchter von Gabriel Zwilling/Didymus, also Schwestern gewesen sind. Unter Einbeziehung anderer genealogischer Quellen ergibt sich danach die 2009 im Band 9 des Pfarrerbuches der Kirchenprovinz Sachsen abgedruckte Übersicht zu Michael Schulze und seiner Familie[8]:

Schulze (Schulteis, Praetorius), Michael
Bunzlau 1515, † zw. 1590 u. 1600
V. N.N., Tuchmacher und Kürschner Bunzlau
Uni. Wittenberg 1528, Frankfurt/O.; Mag.
Ord. Torgau 19.11.1539
1534 – 15139 Lehrer Gym. Torgau, 1539 – 1549 Mesodiac. Stadtkirche ebd.,
1549 – 1563 Pfr. Creuzburg, 1565 – 1569 Pfr. Roben, 1569 – 1573 Pfr. Creuzburg
∞ I Torgau N.N. Brückner
V: Georg B., Hofkoch Torgau
∞ II 1541 N.N. Didymus
V: Gabriel D. Oberpfr. u. Sup. Stadtkirche Torgau
∞ III Torgau vor 1549 Magdalena Leicher
V: Andreas L., Torgau
∞ IV 1567 Gertrud gen. Didymus, Wwe. D. N.N. Leicher (Leger)
V: Gabriel D. Oberpfr. u. Sup. Stadtkirche Torgau
10 Kinder(4S., 5 T., 1StiefT.) bek.
Martha, ∞ N.N. Pohlmann, Lpz.
Barbara, ∞ Daniel Sachse, Oberpfr. St. Martini Halberstadt u. Sup. d. Fürstentums
Ehe II:
Gabriel, * 1542,>Anna, † vor 1553
Ehe III:
Andreas, um 1550 Torgau, Prof. Frankfurt/O., dort auch Pfr. St. Marien, † 20.12.1586
Johannes, * um 1552 Creuzburg, Pfr. an St.Ncolai, später St.Georg Frankf./O. †1586
Maria, ∞ 1. M. Marcus Heise 2. Peter von Jena 3. Esias Ulrich
Ehe IV:
Stieft. Sabine Lussovius, * [1558], † Hof/Saale □ 21.8.1633 (75 J.), T. d. N.N.Leger
(Leicher) u. der Gertrud gen. Didymus
Michael Praetorius, * Creuzburg 15.02.1571, † Wolfenbüttel 15.02.1621 ebd.

Bem.: Persönlicher Schüler Luthers und Melanchthons, sp. Kollege Johann Walters in Torgau. Mit Gabriel Didymus Kämpfer gegen das Interim. Aus Torgau als orthodoxer Lutheraner vertrieben. 1562 Zwistigkeiten mit den Visitatoren. Nach Verhör vor diesen u. dem Herzog von Eisenach beurlaubt. Wurde 1563 u. 1573 abgesetzt u. lebte ohne Amt in Torgau, zuletzt in Treuenbrietzen.

 

 

 

[1] Abgedruckt bei Willibald Gurlitt: Michael Praetorius (Creuzbergensis). Sein Leben und seine Werke, S. 16 f

[2] Leichenpredigt Roth Auswertung Nr. 2794

[3] Leichenpredigt Stollberg Katalog Nr. 7999 (Herzog Aug. Bibl. Wolfenbüttel Sig. 13344)

[4] abgedruckt bei Gurlitt  Seite 88/89

[5] Gurlitt S. 76

[6] Stollberg Katalog 13344

[7] In der Leichenpredigt für Magdalena Zembsch geb. Lussovius wird die gleichlautende Angabe zu dem Vater gemacht.

[8] auf 10 erweitert, da im Text genannte Maria nicht aufgeführt ist

5 Kommentare

  1. Guten Tag Herr Küttler,
    mit großem Interesse habe ich Ihren Beitrag über Michael Praetorius gelesen. Unser Direklinie war seine (Halb) Schwester – Barbara Praetorius/Schultz . Sie war mit Daniel Sachse (1563-1605) verheiratet. Bis dahin hatte ich keine Unterlagen über Ihre Mutter. Nach Ihren Unterlagen stammte sie aus 2 Ehe von Michael Praetorius und wäre nämlich dann wohl die Schwester von Ehefrau Nr. 4 und Mutter von Michael Praetorius. Die Barbara ist 1614 verstorben – geb. Datum nicht bekannt jedoch wahrscheinlich nicht wesentlich älter als Michael Praetorius. Ihr Sohn David (1589-1645) war mit Anna Pretzsch verheiratet. Aus dieser Ehe ging u.A. Sophia Sachse hervor. Sie bediente Am Hof in Dessau -Fürst. Cammer.(1642-1693) und war verheiratet mit Dietrich Christian von Bergen
    Herzlich Grüße
    Patrick O’Callaghan

  2. Hallo Herr O’Callaghan,
    Michael Praetorius ist samt seiner Familie für Genealogen eine interessante Person, mit der sich immer wieder Familienforscher beschäftigt haben. Deren Recherchen haben eine Reihe von Daten erbracht, auf die wir zurückgreifen können. Aus den Arbeiten von Randolf Ludewig, 2007 verstorbener kath. Pfarrer aus Hildesheim, und Friedrich-Wilhelm Euler (1908 – 1995), früher Archivar in Bentheim, geht bezüglich der Tochter Brigitte hervor, dass diese 1562 in Creuzburg bei Eisenach geboren ist, 1586 den damals in Frankfurt/Oder lebenden Daniel Sachse geheiratet hat und 1616 gestorben ist. Aus dem Geburtsjahr geht nicht eindeutig hervor, wer die Mutter von Brigitte gewesen ist. sie war aber sehr wahrscheinlich eine Tochter aus der dritten Ehe von Michael Schulteis/Schulze mit Magdalene Leicher aus Torgau, einer Tochter des Stadtrichters Andreas Leicher. Die vierte Ehe mit Gertrud verwitwete Leicher geborene Zwilling ´/Didymus ist Michael Schulteis laut Thüringer Pfarrerbuch Band IV (Die reußischen Herrschaften) erst 1567 eingegangen. Die Kinder aus der zweiten Ehe mit NN Zwilling/Didymus sind im Kindesalter verstorben.
    In der Leichenpredigt für Magister Carolus Sachse, den ältesten Sohn von Daniel Sachse (sen.) (Verfasser M. Joachim Mencelius 1617) wird als Vater von Brigitte Andreas Praetorius, genannt. Bei diesem dürfte es sich um den um 1549 geborenen Sohn von Michael Schulteis, also um einen der ältern Brüder von Brigitte, handeln. Diese Angabe kann wegen des Alters nicht richtig sein. Andreas Praetorius war 1586 Professor in Frankfurt/Oder, vermutlich hat seine 13 Jahre jüngere Schwester Brigitte nach dem Tod der Eltern bei ihm gelebt, was dann zu der fehlerhaften Angabe geführt haben dürfte.
    Sofern Sie Fragen zu meinen vorstehenden Ausführungen haben, will ich die gern beantworten. Mit freundlichen Grüßen! Detlev Küttler.

  3. Hallo Herr Küttler, vielen Dank für die Rückmeldung. Habe einige interessante Details in unseren Unterlagen gefunden.
    Nach dem Tod ihres Mannes (und Willen) zog die Witwe Brigitte Sachse geb. Schultz mit allen Kindern nach Zerbst & haben wahrscheinlich bei der Schwester Maria Schultz gewohnt. Die Kinder waren:
    Karl (Carolus) 13.12.1588-11.10.1616 in Berlin (Cölln)
    1. Ehe 00 mit Anna Füssel (Fusselius) -hat nach dem Tod von Karl wieder geheiratet
    2. Ehe 00 mit Joachim Mencelius 1618 00 Anna Füssel

    David Sachse 1590-1645 (Unsere Linie)
    00 Anna Pretzsch

    Daniel Sachse 31.01.1596 –
    00 Elisabeth Ursinus
    00 Anna Schumann -25.06.1627

    Ernst Sachse – Past. i. Rieder (Ostharz) bei Gernrode bei Ballenstedt
    00 Katharina Henneberger

    Sabine Sachse
    1. Ehe 00 David Ulrich (Ger. Notar in Zerbst)
    2. Ehe 00 Andreas Goedigke
    Wenn Sie mir Ihre Email Adresse geben, kann ich Ihnen einige Unterlagen für Sie einscannen über Michael Schultze (Senior) – können Sie meine Email Adresse einsehen ?

    Herzliche Grüße
    Patrick O’Callaghan

  4. Wer ist die Mutter von Michael Praetorius. Eine Antwort auf die Ausführungen von Czakai: http://www.czakai.de/wordpress/wer-ist-die-mutter-von-michael-praetorius/.

    Als Michael Praetorius am 23 Februar 1621 unter der Orgelempore der noch im Bau befindlichen Kirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel beigesetzt wurde, hielt der Ortspfarrer Magister Petrus Tuckermann die Trauerpredigt, diese ist später im Druck erschienen und befindet sich heute in der Herzog August Bibliothek. Anders als sonst üblich enthält sie keine genealogischen Daten, wohl aber einen aussagekräftigen Hinweis auf den Vater und den Großvater des Toten:
    „… sein Vater und sein Großvater (sind) Prediger gewesen und (haben) Gott und seiner Kirchen lange Zeit gedienet; auch seine Brüder und Anverwandten viel solchem Amt wohl vorgestanden zum Teil noch auf den heutigen Tag wohl versehen. …“
    Der Verfasser der Trauerpredigt kannte den Toten, die Aussage über den Vater und Großvater von Michael Praetorius ist daher als authentisch anzusehen: Einer der beiden Großväter von Michael Praetorius ist ein lutherischer Pfarrer gewesen. Der Vater des Vaters war Tuchmacher und Kürschner, die Aussage bezieht sich somit auf den Vater der Mutter und da kommt nur der Torgauer Pfarrer und Superintendent Gabriel Zwilling genannt Didymus in Frage. Der Vater der ersten Ehefrau NN Brückner, Georg Brückner, war kursächsischer Hofkoch, der Vater von Magdalene Leicher, Andreas Leicher, war Bürger von Torgau und hat dort das Amt eines Stadtrichters ausgeübt, beide sind also keine Prediger gewesen. Aus der Datenlage ergibt somit, egal ob man von zwei oder drei Ehen des Vaters Michael Schulze/Schulteis ausgeht, geradezu zwangsläufig, dass die im Thüringer Pfarrerbuch Band 4 genannte „Gertrud Leicher gen. Didymus“ die Mutter von Michael Praetorius ist.
    Für die Tochter Sabine, der späteren Ehefrau von Andreas Lüssow/Lusovius, gilt eine andere Ausgangssituation, sie könnte sowohl eine Tochter von Magdalene Leicher, deren Sterbedatum nicht bekannt ist, als auch von Gertrud Leicher geb. Didymus gewesen sein. Von der erstgenannten Alternative ist der Verfasser dieses Beitrages ursprünglich ausgegangen, weil sowohl im Brandenburger Pfarrerbuch als auch in den Leichenpredigten für die Lussow-Töchter Maria Jordan und Magdalena Zembsch Michael Schulze (hier wie sein Sohn Praetorius genannt) als Vater ihrer Mutter genannt:
    LP Maria Jordan († 16.7.1646): „Die Fraw Mutter aber Sabina, des Ehrwürdigen. Großachtbaren und vielgelarten Herrn Michaelis Praetorii, fürnehmen Predigers zu Torgaw und hernach Superintendentis zu Creutzberg in Thüringen hinterlassene eheliche Tochter.“
    LP Magdalena Zembsch († 19.5.1681): „Die Mutter aber die Weyland Wohl Ehrbare Gott Ehr und Tugendliebende Frau Sabina/ des auch Weyland WohlEhrwürdigen, Großachtbarn und Wohlgelahrten Herrn Michaelis Praetorii, erstlich vornehmen Predigers zu Torgau und nachmals Superintendentis zu Creutzberg in Thüringen nachgelassene Tochter.“
    Aus dem Sterbeeintrag für Sabine Lüssow in Hof (1633/177) ergibt sich jedoch, dass Michael Schulze nicht der leibliche Vater, sondern nur im rechtlichen Sinne der Vater von Sabine gewesen ist:
    „Frau Sabina Lußowin eine geborene Legerin, Herrn Superintendenten M. Christophorin Jordans Seeligen Schwieger Mutter, so verstorben Montag zu nachts zwischen 10 und 11 Uhr, ihres Alters 75 Jahr und halbes dort begraben den 21. Augustii.“
    Der Eintrag ist eindeutig, Sabine Lüssow war eine geborene „Legerin“ (= Leicher) und keine geborene Schulze. Für die von Czakai vermutete Namensverwechslung gibt es keinen ersichtlichen Grund. Woher soll der Kirchenbuchführer in der Stadt Hof, die weit weg von Torgau und Treuenbrietzen liegt, den Namen Leger/Leicher gekannt haben, wenn er ihm nicht von den Angehörigen der Toten genannt wurde? Und die Angehörigen kannten die Herkunft ihrer Mutter. Was wären Kirchenbuch-Einträge wert, wenn man ihre Aussagen ohne nachvollziehbare Gründe in Frage stellt, und solche nennt Czakai nicht. Fakt ist: Sabina Lüssow war lt. Sterbeeintrag keine geborene Schulteis/Schulz, sondern eine geborene Leicher (Leger=Leicher), und das bedeutet, sie war die Tochter von NN Leicher und dessen Ehefrau Gertrud Leicher geborene Didymus. Mit der Heirat ihrer Mutter Gertrud 1567 übernahm der neue Ehemann der Mutter, der Witwer Michael Schulze/Schulteis, die Vormundschaft für die Kinder seiner neuen Ehefrau und wurde deren Stiefvater. Sabina war somit eine Stieftochter von Michael Schulteis und eine Halbschwester von Michael Praetorius. Die oben zitierten Leichenpredigten müssen unter diesen damals üblichen rechtlichen Gegebenheiten gelesen werden. Im Hinblick auf Stiefkinder wurde seinerzeit durchaus zwischen „ehelichen“ Kindern, zu denen auch die Kinder einer wiederverheirateten Witwe zählten, und „eheleiblichen“ Kindern, den eigenen leiblichen Kindern, unterschieden. Übrigens Michael Schulze verwendet diesen Ausdruck selbst in seinen Brief an den Kurfürsten Johann Friedrich vom Februar 1538, in dem er um ein Stipendium bittet: „… auch gnädiglich bedenken, daß ich nicht ein einseln Person, wie ein ander Student, sondern selbander und einer ehelichen leiblichen Frucht täglich von Gott erwarte;“.
    Schlussbemerkung: Die Frage, wer die Mutter von Michael Praetorius ist, hat ein gewisses allgemeines Interesse, weil der Sohn ein bekannter Musiker war; für die Herkunft der Tochter Sabine verehelichte Lüssow gilt das nicht. Sie war eine „normale Ehefrau und Mutter“, ihre Herkunft ist deshalb allenfalls für deren Nachkommen interessant. So gesehen bleibt es Czakai unbenommen, Michael Schulze und Magdalene Leicher in seine Stammliste als Vorfahren aufzunehmen, und dem Verfasser dieses Beitrages dagegen NN Leicher und Gertrud geb. Zwilling sowie deren Vater Gabriel Zwilling-Didymus als Vorfahren anzusehen. Michael Schulze wie Gabriel Didymus sind ehrbare Männer gewesen, die jede Ahnenliste zieren; sie waren zudem in ihrem Leben als Gnesiolutheraner eng miteinander verbunden, zumal im Kampf gegen das Augsburger/Leipziger Interim, hier waren beide sogar gemeinsam gefangengesetzt worden, und beide blieben standhaft bei ihrer Ausfassung und nahmen dafür Dienstentlassungen und andere Nachteile in Kauf.
    Dr. Detlev Küttler, Burgwedel.

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